Mittwoch, 12. März 2008
Knoten gibt es viele, aber keine gordischen mehr
Ich will ja nicht behaupten, dass ich eine Lösung für das Kosovo-Problem wüsste, dem alle Seiten zustimmen könnten – die Serben, die Kosovo-Albaner, die Europäer, die Russen, der Weltsicherheitsrat; oder eine Lösung, die sich friedlich durchsetzen ließe – und sei es mit ökonomischem Nachdruck. Das Amselfeld gehört halt zum integralen Staatsgebiet Serbiens – wer es abteilen will, kommt in Konflikt mit dem UN-Prinzip und der Völkerrechtsregel der territorialen Integrität der Staaten. Auf diesem Teil des serbischen Staatsgebietes wohnen weithin aber nur ethnische Albaner, die so wenig Gutes von den Serben zu erwarten haben, wie die im Kosovo verblieben Serben von den dortigen Albanern.

Die Russen stehen hinter den Serben und werden folglich ihre Veto-Position im UN-Sicherheitsrat zugunsten der serbischen Ablehnung verwenden – also keine von der Uno sanktionierte Entlassung des Kosovo in die Unabhängigkeit. Die Europäer hatten in den Balkan-Konflikt eingegriffen, teilweise militärisch, teilweise ohne zweifelsfreies völkerrechtliches Mandat – und dies, um ein „ethnic cleansing“ zu verhindern, eine ethnisches Säuberung also. Am Ende könnten sie zu einer Politik flüchten, die just eine Aufteilung des Balkans nach Ethnien besorgt. Falls sich die Politik der EU überhaupt durchsetzen lässt.

Wenn ich selbst keine Lösung für das Kosovo-Problem weiß, weshalb komme ich dann überhaupt auf das Problem zu sprechen? Ich denke, wir müssten uns langsam von der naiven Weltsicht befreien, dass es im Grunde für jedes politische Problem auch Lösung gäbe, wenn alle Beteiligten sich nur irgendwie anstrengten. Vielmehr müssen wir uns realistischerweise darauf einstellen, dass es in der Politik, erst recht in der internationalen Politik Knoten gibt, die man nicht säuberlich entwirren kann, deren Durchschlagen nach der Methode des Gordios aber eben auch nur neue Probleme erzeugt: Nahost, Balkan, Afghanistan, Irak, Iran – wohin man schaut!

Die Kunst des Staatesmannes läge nun darin, dass er diese Aporien auf eine bestimmte Weise „aushält“ – also weder gleichgültig noch zynisch wird, weder bequem noch pseudo-aktivistisch, dass er weder untätig verharrt noch gewalttätig zuschlägt, um seine Hilflosigkeit abzureagieren. Und was für den Staatsmann gilt, gilt auch für die Bürger – und nicht zuletzt für uns Journalisten. Die Welt ist zunächst so, wie sie ist – und nicht so, wie wir sie gerne hätten. Wenn es gelänge, sie vom einen Zustand auch nur ein wenig in den anderen zu bewegen, sei es auch nur auf Zeit – dann wäre mitunter viel gewonnen. Wer nur das Perfekte akzeptiert, erreicht auf moralisch scheinbar perfekte Weise – gar nichts. Wenig ist eben oft mehr als alles oder nichts.

Zitat von Von Robert Leicht

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