Mittwoch, 12. März 2008
Scharfe Gegensätze im Kosovo-Konflikt
Belgrad - Die Positionen der Kontrahenten im Kosovo-Konflikt bleiben unvereinbar. Der serbische Regierungschef Vojislav Kostunica lehnte einen Plan der EU vehement ab, 1800 Polizisten, Richter und Zöllner ins Kosovo zu schicken.

Kostunica erklärte in Belgrad: «Einen solchen gesetzeswidrigen EU-Beschluss weist Serbien schon im Voraus auf das Energischste zurück. ... Die Ankunft der EU-Mission würde den Beginn der Umsetzung des verworfenen Ahtisaari-Plans und den Anfang der einseitigen Unabhängigkeit bedeuten.» Die EU will die Polizisten, Richter und Zöllner in die fast nur noch von Albanern bewohnte Provinz schicken und damit die seit 1999 bestehende UNO-Verwaltung (UNMIK) ablösen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin vereinbarten trotz der gegensätzlichen Positionen eine enge Abstimmung in dem Konflikt.

Eskalation vermeiden

In Berlin sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, Merkel und Putin seien sich in einem Telefonat am Montagabend einig gewesen, dass eine Eskalation unter allen Umständen vermieden werden müsse.
Die US-Regierung bekräftigte noch einmal ihre Unterstützung für ein unabhängiges Kosovo. Sie halte weiterhin den Plan des UNO-Vermittlers Martti Ahtisaaris für den besten Weg, heisst es in einer Erklärung des US-Aussenministeriums. Darin wird die Souveränität des Kosovos unter Aufsicht der EU vorgeschlagen. In einer Resolution aus dem Jahr 1999 hatte sich der Sicherheitsrat für die Zugehörigkeit des Kosovos zu Serbien ausgesprochen. Im Gegensatz zu Russland will die EU die bisherige UNO-Verwaltung im Kosovo ablösen, wenn UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon das verlangen sollte.

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Russen drohen mit "roher militärischer Gewalt"
Der russische Nato-Botschafter kritisiert den Westen wegen seiner einseitigen Anerkennung des Kosovos und warnt die Nato eindringlich, ihr Mandat nicht zu überschreiten. Russlands Präsident Putin nennt die Unabhängigkeitserklärung des Kosovos einen "schrecklichen Präzedenzfall". Washington reagiert prompt.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo als einen „schrecklichen Präzedenzfall“ bezeichnet. Dieser werde „de facto das ganze System der internationalen Beziehungen zerschlagen, die sich nicht in Jahrzehnten, sondern in Jahrhunderten entwickelt haben“, sagte er in Moskau vor ranghohen Regionalpolitikern. Die Folgen seien vom Westen nicht durchdacht worden. Putin warnte, es handele sich bei der Unabhängigkeitserklärung um ein zweischneidiges Schwert, das auch dem Westen ins Gesicht schlagen werde.

Zuvor hatte der russische Nato-Botschafter erklärt, Russland könne sich offenbar nur noch mit „roher militärischer Gewalt“ internationalen Respekt verschaffen. Mit ihrer Anerkennung der einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovos richteten einige westliche Staaten das gesamte internationale Rechtssystem zugrunde, sagte Dmitri Rogosin in einer Fernsehschaltung aus Brüssel. Die USA wiesen die Äußerungen des russischen Nato-Botschafters als „höchst unverantwortlich“ zurück.

Der russische Gesandte warnte, „falls die Europäische Union eine einheitliche Haltung ausarbeitet und die Nato über ihr gegenwärtiges Mandat im Kosovo hinausgeht, werden diese Organisationen im Konflikt mit den Vereinten Nationen stehen“. Rogosin sagte weiter: „Und wir, so meine ich, werden von der Annahme ausgehen, dass wir rohe militärische Gewalt anwenden müssen, um respektiert zu werden.“

Moskau werde genau darauf achten, dass die Nato-Truppen im Kosovo ihr Mandat nicht überschritten. Das Bündnis dürfe sich auf keinen Fall in die Politik einmischen, sondern müsse neutral bleiben. Dies gelte auch für die 16.000 dort stationierten Soldaten. Einen Krieg zwischen Russland und der Nato über das Kosovo schloss er aber aus.

Mit der Unterstützung der Unabhängigkeit habe der Westen „einen strategischen Fehler, ähnlich der Invasion im Irak“ begangen, sagte Rogosin weiter. Der russische Außenminister Sergej Lawrow bezeichnete die Anerkennung ebenfalls als schweren Fehler. Gleichzeitig ermahnte er den serbischen Außenminister Vuk Jeremic, weitere gewaltsame Ausschreitungen wie am Donnerstagabend in Belgrad zu verhindern. Diese hätten negative Auswirkungen auf die diplomatischen Bemühungen Serbiens und Russlands, in allen internationalen Organisationen eine Verurteilung der Unabhängigkeitserklärung des Kosovos zu erreichen.

Der US-Botschafter bei der Nato zeigte sich von Rogosins Erklärung sehr enttäuscht, Washington reagierte auch prompt. Russland sollte sich in seinen öffentlichen Äußerungen zum Kosovo unbedingt mäßigen, erklärte Unterstaatssekretär Nicholas Burns, die Nummer drei im US-Außenministerium. „Dieser zynische und unhistorische Kommentar des russischen Botschafters sollten von seiner Regierung zurückgewiesen werden“, forderte Burns. Russland stehe völlig isoliert da. Burns verurteilte ferner die jüngsten Übergriffe auf die US-Botschaft in Belgrad. Die serbische Regierung müsse hier ihrer Verantwortung für Frieden und Stabilität nachkommen.

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Wer inszenierte die Krawalle von Belgrad?
Die schweren Ausschreitungen in der serbischen Hauptstadt Belgrad gegen die Unabhängigkeit des Kosovos werfen Fragen auf. Weil die Polizei nur halbherzig eingegriffen hat, mehren sich jetzt die Spekulationen, dass die Unruhen inszeniert waren. Die Spur führt direkt in das Kabinett des serbischen Premiers Kostunica.

Zumindest des Lobs ihrer politischen Schutzherren können sich Serbiens heftig kritisierte Gesetzeshüter sicher sein. "Rechtzeitig und gesetzesgemäß" habe die Polizei bei den Krawallen in Belgrad am Rande der Massendemonstration gegen die Unabhängigkeit des Kosovos am vergangenen Donnerstag reagiert – das fand jedenfalls Andreja Mladenovic, der Sprecher der nationalkonservativen Regierungspartei DSS.

Doch die erstaunlich laxen Sicherheitsvorkehrungen und das späte Anrücken der Sicherheitskräfte mehren in Serbien die Spekulationen, dass die Krawalle inszeniert waren. "Die Unruhen bei der Demonstration waren Teil eines geheimen Aktionsplans zur Verteidigung des Kosovos“, ist der frühere Premier Zoran Zivkovic überzeugt.

Schon unmittelbar nach den Unruhen, bei denen acht Botschaften verwüstet und über 90 Läden geplündert wurden, hatte US-Außenministerin Condoleezza Rice Serbiens Regierung direkt für die Attacken auf die US-Botschaft verantwortlich gemacht. Erst sei die Polizei nicht ausreichend präsent gewesen - und danach habe sie die Hooligans zunächst ungestört die Botschaft stürmen und das Gebäude ausbrennen lassen.

Die liberaldemokratische Oppositionspartei LDP, deren Büros in den letzten Wochen landesweit Ziel von Verwüstungen waren, präsentierte Video-Aufnahmen, die einen Zivilpolizisten vor der Botschaft zeigen, der unmittelbar vor Ausbruch des Brandes seine Vorgesetzten per Handy über die Lage informiert. Doch obwohl die Polizei über die Lage Bescheid gewusst habe, habe sie den Mob "eine volle Stunde wüten" lassen.

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